User:Massimo Lombardo Müller

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Ich photographiere meistens Architekturobjekte. Objekte die wir kennen, zumindest zu kennen glauben. Die Neue Wache und das Alte Museum in Berlin und die Römischen Bäder in Potsdam. Diese Gebäude haben eines gemeinsam, nämlich ihren Ideengeber, ihren Schöpfer, den Architekten Karl Friedrich Schinkel. Mein Versuch unseren Blick auf diese gleichsam zu Inkunabeln des Romantischen Klassizismus gewordenen Architekturen dieses Baumeister des 19. Jahrhunderts, der die Physiognomien der Städte Berlin und Potsdam durch seine Bauten und durch seine später von zahlreichen Schülern übernommenen Architekturprinzipien wie kein zweiter prägte zu lenken. Doch ist meine Hinführung an diese steingewordenen Erinnerungsbilder einer Idee zur Architektur an eine Irritation gekoppelt. Und diese Irritation verdanke ich teilweiser Aufkündigung der Codes, die wir entwickelt haben, um ein architektonisches Objekt auf einer Photographie wiederzuerkennen, zu dechiffrieren, phänomenologisch und typologisch einem Ordnungskatalog zuzuführen. Diese Aufkündigung aber wiederum wird mir erst ermöglicht durch eine Technik: die Infrarotphotographie; eine Technik, die mit der Energie, die uns sehen läßt und erst die Dinge zur Erscheinung bringt, eine Komplizenschaft eingeht, eine, die neue Codes generiert. Und diese lassen uns anders sehen, lassen uns die Dinge, die dort in Augenschein genommen werden, anderes erkennen. Aber es ist ja eigentlich keine In-Augenschein-Nahme, denn das, was die Dinge als erstes erfasst, ist nicht das Auge, sondern es sind ein vorgeschaltetes Instrument (Kamera und Objektiv) und eine chemisch behandelte Materie (Filmstreifen), die zunächst einmal den Vorgang des Licht-Sammelns vornehmen. Die spezielle Technik und die speziell für dieses Verfahren eingesetzte Chemie interessieren hier nicht; was hier zählt, ist das aus den Möglichkeiten der Infrarotphotographie geschöpfte Ergebnis, die einzelne Photographie und das auf ihnen sichtbare 'Etwas'. Wie in der Architektur selbst, ist zuletzt dieses Ergebnis interessant: als Beitrag zur Baukultur, als formale Erscheinung. Daß diese aufgrund bestimmter Techniken, Konstruktionsweisen und Anwendungsmodi zustande kommt, liegt in ihrem Wesen begründet, ist für das sinnlich-ästhetische Erregungspotential aber zuletzt nicht so entscheidend. Eigenartigerweise aber bleiben diese vorgeschalteten Verfahren in den Erscheinungen aufgehoben, sie sind ihnen gleichsam eingeschrieben als unsichtbare Matrix des materiellen wie auch des geistigen Schaffensprozesses. Und in diesem Zusammenhang erscheinen zwei Dinge interessant. Erstens mein Interesse und Motivation, eine "Untersuchung des Lichtes", wie ich sie nenne, vorzunehmen. Zweitens mein Blick auf die Architekturen einzig eines Baumeisters; denn erst diese in Reihe geschalteten Photographien, denen eine Thematik (in diesem Falle die Idee zur Architektur von Karl Friedrich Schinkel) unterlegt ist, legitimieren das, was ich "Untersuchung" genannt habe.

Die Sakralität des Lichtes" Auf den Photographien fallen zunächst die starken Kontraste zwischen Hell und Dunkel auf, wobei die hellen Partien etwas Gleißendes ausstrahlen. Das Licht scheint gleichsam aus der optisch eingefangenen Materie hervorzustrahlen, es scheint ihr innezuwohnen. Das Licht wirkt auf einigen dieser Photographien manchmal wie eingebrannt, manchmal wie inszenierte artifizielle Spuren, die das Dunkel um diese Flächen herum noch dunkler erscheinen läßt, als es ein gewöhnlicher Schatten vermag. Die Reflexionen, die das Licht verursacht, wenn es auf Materie trifft, zielen dabei direkt auf das, was ich die "Sakralität" nennt. Es gelingt mir dabei eine Art Inszenierungen, die durchaus an das Zusammenspiel von Licht und Materie im spätantik-christlichen und frühbyzantinischen Sakralbau denken lassen: das Licht als das Mysterium, das die Erscheinungen - sowohl die materiellen als auch die geistigen - erst ermöglicht. Am deutlichsten wird dieser Effekt wohl bei den Innenaufnahmen der Neuen Wache Unter den Linden. Die in das innere des Gebäudes fallenden Lichtstrahlen und Reflexe geben uns dabei unmittelbar eine Vorstellung von der Energie, die der hier unsichtbaren Lichtquelle innewohnen und eigen sein muß. Der Raum wird dabei nicht so sehr in seinen Dimensionen vermessen, wie es die gewöhnliche Architekturphotographie unternimmt, sondern thematisiert wird das Räumliche an sich, der Ort als eine Art Kultstätte, die der Erinnerungsarbeit dienen soll. Der Boden, die Wände und die Decke werden hierbei gleichsam zur Folie, die den mystischen Raum einfassen, ihm eine Gestalt geben, die mi Lichtspiel aber nur ahnbar ist, was wiederum dem Mysterium des Zusammenwirkens von Licht und Materie dient. Eine Photographie wie die, bei der nurmehr die vergitterten Zugänge mit ihren Verstrebungen und die Lichtspuren auf dem Boden zu erkennen sind, machen meine Idee am besten deutlich: Das Schwarze (der unsichtbare Raum ohne Kanten und Begrenzungen) und das Weiße (die Lichtspuren) sind die stärksten nur möglichen Kontraste zwischen dem Licht und dem Nichts.

Meine Aufnahmen, die fast immer auch eine Idee von den räumlich-tektonischen Übergängen von Innen- zu Außenräumen zu vermitteln versuchen, lassen erkennen, worum es mir hauptsächlich geht: Um den Hinweis darauf, daß das Licht an der Gestalt, an der architektonischen Erscheinungsform, einen nicht zu unterschätzenden Anteil hat. Mehr noch: Das Licht ist, indem es die Wahrnehmung von Flächen, Linien und Schatten überhaupt erst ermöglicht, das Mittel, das eine architektonische Erscheinung als solche aus dem Nichts herausarbeitet. Daß es dabei Schinkel selbst ist, der diese Idee in seinen architektonischen Entwürfen immer wieder thematisiert, ohne besonders darauf zu verweisen, wird zum Beispiel dort deutlich, wo Säulenreihen einen eigenen Übergangsraum bilden und zugleich als Ort markieren: Sowohl der Portikus der Neuen Wache als auch die Lustgartenfront des Alten Museums weisen dieses Merkmal der aufgelösten Wand (und nichts anderes sind diese Säulenreihen) auf. Dabei wird deutlich, daß das Licht von außen in diesen Zwischenraum eindringen kann und soll, an der den Innenraum begrenzenden Wand bzw. Mauer aber noch einmal umso intensiver aufscheint. Die Interkolumnien zwischen der Säulen dienen sowohl der Rhythmisierung der Bauvolumen als auch der Lichtführung, sie markieren auf ihre Weise eine partielle Durchlässigkeit des Raumes und zugleich dessen Begrenzung; erst das Licht, das durch sie hindurchscheint, ermöglicht diese Anordnung.

<Auszug aus den Text von M. Kieren zur Ausstellung Palermo - Berlin>