File:Musteraufsätze 1913 von Theodor Paul - Seite 196.jpg

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die Zeit an, Lber sie hat keine Absicht, denn Absicht können nur denkende Wesen haben. Ehre und Ruhm bezeichnen das günstige Urteil, welches andere vom Werte eines Menschen Haben. Darin liegt das Übereinstimmende beider Begriffe. Verschieden voneinander sind sie aber dadurch, daß die Ehre sich mehr auf das Urteil einzelner Menschen, auf das Urteil eines kleinen Kreises beschränkt, während Ruhm das günstige Urteil einer größeren Menge voraussetzt und auch auf die Nachwelt übergeht. In einem kleinen Städtchen kann jemand unter seinen nächsten Mitbürgern ein sehr geachteter und geehrter Mann sein. Berühmt wird er dadurch aber noch nicht. Berühmt sind nur Männer wie Lessing, Schiller, Goethe, Bismarck, Moltke und andere. Der Eitle und der Stolze haben von ihren Vorzügen eine große Meinung. Der Eitle gründet aber seine Ansprüche auf Lob und Bewunderung auf Dinge, die in den Augen vernünftiger Menschen keinen oder nur sehr geringen Wert haben, z. B. auf den Besitz von Lackstiefeln, auf die besondere Art, Wie er sich seinen Haarscheitel kämmt, auf den modernen Schnitt seines Kleides, den Besitz einer Uhrkette usw. Der Stolze geht in dieser Beziehung betreffs feiner Wertschätzung höher hinauf, daher redet man auch von einem Geldstolze, Adelsstölze, Tugendstolze usw. Der Stolze verachtet andere, welche seine Vorzüge nicht haben, der Eitle dagegen macht sich lächerlich. Die Eitelkeit ist unter allen Umständen ein Fehler. Stolz dagegen kann unter Umständen zur Tugend werden, wenn er sich darauf beschränkt, die wahren und wirklichen Vorzüge hochzuschätzen, wenn z. B. sich jemand für zu stolz hält, durch eine Gemeinheit sich vor sich selbst zu entwürdigen, irgend- ein Unrecht zu begehen oder Gott zu mißfallen. Ob zur Aufsuchung der Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten sinnverwandter Wörter Witz oder Scharfsinn gehört, das scheint eine seltsame Frage zu sein. Und doch ist sie berechtigt; denn wer die Ähnlichkeit verschiedener Dinge leicht herausfindet, ist „witzig", wer dagegen die Verschiedenheiten ähnlicher Dinge leicht herausfindet, ist „scharfsinnig". Witz würde es erfordern, wenn man jemanden fragte: „Welche Ähnlichkeit ist zwischen (einem) dem Witz und einem Priester? (Beide kopulieren ganz verschiedene Paare.) Scharfsinn würde es dagegen sein, wenn einer ohne weiteres zu sagen wüßte, wodurch sich Anstand, Sittsamkeit, Bescheidenheit und Demut voneinander unterscheiden.

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