File:Musteraufsätze 1913 von Theodor Paul - Seite 160.jpg

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blumen- und kräutersuchende Kinder ihre fröhlichen Lieder, und so ist überall und überall Leben und Bewegung, geschäftige Arbeit und unruhiges Treiben auf Wiese und Flur, Acker und Heide. II. Wie ganz anders ist es doch am Sonntage! Ein stiller Friede ist ausgegossen über die weite Flur. Sichel und Pflug, Wagen und Spaten, Mensch und Tier ruhen. Kein Laut ist hörbar. Tiefe Stille herrscht auf der weiten Flur. Auch im Herzen unseres Schäfers sieht es heute anders aus als an den gewöhnlichen Wochentagen. Die Einsamkeit stimmt ihn ernst. Doch horch — da schlägt ein Laut an sein Ohr. Es sind die Glockentöne aus den umliegenden Dörfern, welche dort die Gläubigen zur Kirche rufen. Der Schäfer lauscht still und andächtig ihren melodischen Klängen. Es ist ihm, als wenn sie ein Ruf Gottes an sein Herz wären. Er denkt an seine Lieben in der Heimat, und im freudig bewegten Gefühle, daß ihn Gott diesen Sonntag erleben läßt, an dem er sein Herz sammeln und ungestört in der Stille seinen Gott suchen kann, bricht er deshalb beim Verklingen des letzten Glockentones in die Worte aus: „Das ist der Dag des Herrn ! Ich bin allein auf weiter Flur, Noch eine Morgenglocke nur — Nun Stille nah' und fern!" III. Die fromme Stimmung, welche den Schäfer beseelt und ihn den Sonntag als einen Tag der Stille und des Alleinseins Preisen läßt, treibt ihn nun aber auch zu Taten. Zwar ist er allein; kein Prediger ist in seiner Nähe, kein Choralgesang und kein Orgelton klingt an sein Ohr, aber eins kann er vor allem tun — er kann beten. Und er kniet nieder. Mit gefalteten Händen und andächtigem Sinne sendet er sein Gebet zum Himmel Hinauf, zu dem Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung, noch Wechsel des Lichts und der Finsternis. Und wie er in der Stille der Einsamkeit sein Herz vor seinem Gott ausschüttet, da überkommt ihn ein „süßes Grauen", ein „geheimnisvolles Wehen". Es ist das nicht ein Grauen, eine Furcht, die das Herz bedrückt, sondern ein Schauet, der das Herz beseligt. Es ist die herzerhebende Stimmung frommer Andacht, die ihn umgibt, die ihn durchdringt, erhebt und beseligt, und die ihn gleichsam zum Genossen der großen Gemeinde macht, die den Schöpfer nicht in Büchern und Werken, sondern in der Verehrung der Natur ehrt. Es sind die Menschen in ihren Wünschen und Bitten verschieden! Die einen beten zum himmlischen Vater in der Kirche, die anderen im

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