File:Musteraufsätze 1913 von Theodor Paul - Seite 022.jpg

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und' Besprechungen des Gelesenen abfassen. Man kann dazu poetische und prosaische Stücke nehmen, man hüte sich sogar davor, nur Gedichte oder nur Prosastücke zu erläutern und zu besprechen. Es ist nicht nötig, daß bei solchem Aufsatze nur itt Überschwenglichkeiten und in Entzücken über die Schönheit und Vortrefflichkeit des Dichtwerks geschwelgt wird; auch Fehler und Mängel muß man herausfinden und darstellen. Kritik muß geübt werden. Außerordentlich bildend ist es, Vergleiche durchzuführen. Man beginnt mit einfachen (z. B. Barometer und Thermometer) und geht zu schwierigeren über (z. B. Karl der Große und Wilhelm der Erste). Betrachtungen, Plaudereien, wie sie sich für den reifen gebildeten Mann meist von selbst an bedeutsamen Erscheinungen der Natur und des Menschenlebens knüpfen, sind für geübte Aufsatzschreiber vorzügliche, aber schwere Aufsatzthemen. Es läßt sich viel Schönes, Gutes und Wahres empfinden, denken und sagen, wenn man am Grabe eines bedeutenden Menschen, eines Freundes steht, wenn man einen Eisenbahnzug über die Brücke sausen und weiterhin seinen Weg ziehen sieht, wenn man ein Volksfest, eine Ausstellung besucht, einen Verunglückten sicht — allein die meisten Menschen sind viel zu nüchterne (realistische) Naturen, als daß sie sich viel mit Empfindungen und abstrakten (philosophischen) Gedanken abgeben möchten. Viele freuen sich auch des Schönen, des Neuen, des Großen und Erhabenen, wollte man aber verlangen, sie sollten ihre Empfindungen und Gedanken dabei mündlich oder schriftlich niederlegen, so würde man bestenfalls ein unklares, verschrobenes Gerede oder wohl gar ein seichtes Geschwätz erhalten. Während bei den Betrachtungen und Plaudereien das Gemüt vorherrscht — ebenso wie bei Beschreibungen und Erzählungen das Anschauungsvermögen — so ist bei den sogenannten Begriffsentwicklungen hauptsächlich der Verstand tätig. Begriffsentwicklungen als schriftliche Übungen haben ihre besonderen Schwierigkeiten; der Schwerpunkt der Arbeit liegt stets in einer klaren, anschaulichen, möglichst logisch scharfen und knappen Erklärung (oder Definition). Eine solche zu geben, ist nur wenigen Menschen eigen. Trotzdem soll man sich an den Begriffsentwicklungen in der Aufsatzübung nicht vorbeidrücken und ruhig einmal versuchen, Themen zu bearbeiten, wie: „Was ist die wahre Freiheit des Menschen?", „Entwicklung des Begriffs der Humanität" usw.

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