File:Musteraufsätze 1913 von Theodor Paul - Seite 019.jpg

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Da der deutsche Aufsatz nach unserer oben dargelegten Erklärung ein niedergeschriebenes, zusammenhängendes Ganzes über einen hinlänglich besprochenen, mindestens eingehend durchdachten Gegenstand irgendeiner Art ist, so folgt daraus, daß er als Ganzes aus einzelnen Stücken oder „Gliedern" bestehen muß. Der Aufsatz enthält die vollständige Gedankenreihe über die Aufgabe schriftlich dargestellt. Die Gedanken reihe besteht aus einzelnen Gedanken. Jeder „Gedanke" des Menschen erscheint aber äußerlich in der Form des „Satzes". Ein Satz ist der sprachliche Ausdruck für einen Gedanken?) Daraus folgt, daß der Unterricht in der Anfertigung von Aufsätzen zunächst Anleitung geben muß, die einzelnen Gedanken in deutlichen, möglichst grammatisch richtigen Sätzen niederzuschreiben. Dann erst kann man die einzelnen Gedanken oder Satze zu einer Gr- dankenreihe oder einem Aufsätze zusammenziehen und zusammenfügen. Jeder Unterricht in der Anfertigung von Aufsätzen muß also von der Anfertigung von Sätzen ausgehen. Die Satz - bildung muß der Aufsatzbildung vorangehen! Ehe man aber Sätze ausspricht oder niederschreibt, muß unsere Seele die richtigen Gedank e n gebildet haben. Richtige Gedanken kann die Seele bilden, ja wird sie sehr oft, wenn nicht meistenteils, bilden, ohne daß sie über die von der Grammatik festgestellten Gesetze erst lange nachdenkt. Wir betonen das, um der Meinung entgegenzutreten, als müsse man erst die ganze wissenschaftliche Grammatik, Wort-, Satz-, Sprach, lehre, in sich ausgenommen haben, ehe man an das Aufsatz- schreiben denken könnte. Es ist bei der Anfertigung sehr gleichgültig, zu wissen, was Subjekt (Satzgegenstand), Prädikat (Satzaussage), Objekt (Ergänzung), Attribut (Beifügung) usw. ist; nur einzig und allein darauf kommt es an, daß man die Worte seiner Muttersprache gehörig und richtig gebrauche, richtig stelle und füge, richtig anwende. Das geschieht in den meisten Fällen — selbst von den größten Gelehrten — mehr nach dem sogenannten „Sprachgefühl e" als nach erlernten Regeln. Die Grammatik ist erst das Gesetzbuch, mit dem wir unseren Aufsatz vergleichen; es kann jemand einen recht brauchbaren sprachlichen Ausdruck im

• ) Siehe das im gleichen Verlage (Reinhold Wichert in Berlin 8M. 61) erschienene grammatische Werk: Deutsch, wie es fehlerlos geschrieben und gesprochen wird, von Theodor Paul. Gut gebunden, Preis 3 Mark.

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